LIES MICH! …oder tu so, als würdest du...


In einer längst vergessenen Ära, als Männer noch Vokuhilas trugen und Computer beim Hochfahren klangen wie ein kaputter Staubsauger, da war sie das heilige Artefakt jeder Software: die Lies mich-Datei. Sie war meistens eine schnöde Textdatei mit kryptischen Zeichen und dem Charme eines Telefonbuchs – aber sie hatte Anspruch.


Sie war die Stimme der Entwickler – jene geheimnisvollen Wesen, die mit fettigen Fingern in Neonlicht-getränkten Kellern hausten und in ASCII träumten. In die Lies mich schrieben sie ihre letzten Worte, bevor das Programm mit „Version 1.0 – läuft irgendwie“ veröffentlicht wurde. Dinge wie „Bekannte Fehler: Ja“, oder „Nicht öffnen, wenn du Windows 3.1 magst“.


Und wir? Wir ignorierten sie. Tapfer. Immer. Wir klickten sie weg, schneller als Windows sagen konnte: „Keine Rückmeldung“. Dabei hätte sie uns retten können. Vor Bugs, vor Datenverlust, vor dem Leben. Aber hey, wer braucht schon Anleitungen, wenn man auch blind alles kaputtklicken kann?


Heute ist sie fast verschwunden. Ersetzt durch YouTube-Tutorials, die mit „Hey Leuteeeeee!“ anfangen, und ChatGPT (Hi 👋). Aber irgendwo tief in einem verstaubten Ordner, auf einer vergessenen Festplatte... wartet sie. Mit bitterem Sarkasmus. Und 47 Tippfehlern.


Die Lies mich-Datei.